Gesundheit

Mediziner beklagen immer mehr Lieferengpässe bei Krebsmedikamenten

Seit Monaten klagen Mediziner und Apotheker über Lieferengpässe bei Medikamenten. Auch Präparate, die in der Krebstherapie Anwendung finden, sind betroffen. Mediziner warnen nun, dass der Mangel immer größer wird.

Die Zahl der Arzneimittelenpässe in der Krebstherapie ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Das teilte die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) am Montag mit. „Die Arzneimittelengpässe bestehen bereits seit Jahren, nehmen derzeit aber sicher deutlich zu“, sagte Hermann Einsele, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO.

Die Ursachen seien vielfältig. Es gebe Probleme bei der Herstellung und durch die Abhängigkeit von Lieferketten im Ausland, aber auch einen erhöhten Bedarf. In einzelnen Fällen bestehe das Problem, dass Medikamente aus wirtschaftlichen Gründen vom Markt genommen würden.

Diese Medikamente sind betroffen

Betroffen sind demnach vor allem Medikamente, die seit Jahren in der Krebstherapie eingesetzt werden. Laut DGHO sind das zum Beispiel das Brustkrebs-Mittel Tamoxifen und Nab-Paclitaxel, das ebenfalls bei Brustkrebs sowie Bauchspeicheldrüsenkrebs und Lungenkrebs zur Anwendung kommen. Auch unterstützende Arzneimittel für Krebspatienten wie Antibiotika und Harnsäuresenker seien von Lieferengpässen betroffen.

Engpässe gebe es vor allem bei "Standardmedikamenten", sagte Matthias Beckmann von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Die Alternativen seien nicht immer gleichwertig. Es könne etwa stärkere Nebenwirkungen geben. „Die Frauen brechen einfach die Therapie ab, wenn die Nebenwirkungen zu hoch sind.“ Zudem wirke sich die Situation auch auf die Beziehung zwischen Ärzten und Patienten aus. „Unser Vertrauensverhältnis mit den Patientinnen und Patienten ist nachhaltig gestört durch die Lieferengpässe.“

Zehn Medikamente haben im vergangenen Jahr „kritisch gefehlt“

Im vergangenen Jahr hätten von etwa 200 in Deutschland zugelassenen Krebsmedikamenten etwa zehn „kritisch gefehlt“, sagte Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO. Die Sorge sei, dass ein nicht kompensierter Lieferengpass zu einem Versorgungsengpass werde. „Und eben dann auch, das ist für uns der Horror, dass es in der Tat zu einer Verschlechterung der Prognose kommt.“

Bereits in den vergangenen Jahren sei ein Register für Lieferengpässe aufgebaut worden. Wörmann forderte, langfristig mehr Produktionsstätten in Europa aufzubauen. Nach Ansicht von Thomas Seufferlein, Mitglied im Vorstand der Deutschen Krebsgesellschaft, muss vor allem das Monitoring ausgebaut werden. „Wir brauchen wirklich ein präventives Frühwarnsystem und entsprechende Möglichkeiten, um ein gegebenenfalls entstehendes Versorgungsdefizit rechtzeitig abzuwenden.“

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Krebs-Mediziner fordern Maßnahmen

„In den letzten Jahren wurde bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um Lieferengpässe von Arzneimitteln auch in der Onkologie zu vermeiden oder zu lindern“, heißt es in einer Stellungnahme der DGHO. Dazu gehörten ein verpflichtendes Register für Lieferengpässe, die Regelungen für den erleichterten Import aus dem Ausland und das verbesserte, behördliche Risiko­management durch den Beirat beim BfArM.

Wörmann, nennt zudem die konkreten Forderungen der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften, um die noch bestehenden Defizite zu beheben:

  • Frühzeitige Information über drohende Lieferengpässe seitens der pharma­zeutischen Unternehmen, nicht erst bei bereits bestehenden Lieferproblemen,
  • Anpassung der Verträge zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmen mit Berücksichtigung von Vorratshaltung und verpflichtenden Liefervereinbarungen,
  • Solidarität der Einkaufsgemeinschaften,
  • Sicherung der Versorgung von Arzneimitteln für seltene Krebserkrankungen, auch unter Berücksichtigung der zunehmend personalisierten, zielgerichteten Therapien,
  • Aufbau von Produktionsstätten und langfristige Sicherung der Lieferketten in Europa.

Andreas Hochhaus, der Vorsitzende der DGHO, fasste die gegenwärtigen Herausforderungen noch einmal zusammen: „Die hohe Qualität der Versorgung von Krebspatientinnen und-patienten in Deutschland darf nicht durch vermeidbare Arzneimittelengpässe gefährdet werden. Hier sind weitere regula­torische Maßnahmen aber auch eine Solidarität von allen am Prozess Beteiligten erforderlich.“

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